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NewsArchiv 2016

Riehen, November 2016

Bericht von Kathrin Baumgartner

 

Diesen Herbst bin ich, nach den Erdbeben im Frühjahr 2015, das erste Mal wieder in den 4. Stock gezogen. Auf dem Foto sehen Sie - die Aussicht ist unglaublich schön. Unser gemietetes Haus ist von vielen Klöstern umgeben. Im Vordergrund eine sehr geordnete und saubere Schreinerei, und dahinter steht eine Fabrik, in der Nepal-Papier gemacht wird. 

Zugegeben, ich bin zwei Mal wegen Erdstössen notfallmässig mitten in der Nacht ins Büro im Erdgeschoss umgezogen, schlafe aber seither immer in meinem Zimmer.

 

Meine ersten Wochen waren geprägt von den Müttern und ihren Kindern. Eine Mutter, die im Frühjahr mit ihren drei Kindern wieder selbständig leben wollte und mit ihnen in ein Zimmer eingezogen ist, war eines Tages - kurz bevor ich wieder nach Nepal kam - mit ihrem neuen Freund verschwunden. Als die Kinder von der Schule nach Hause kamen, fanden sie nur noch ihre Kleider. Sie haben vorher mit ihrer Mutter bei uns - im Haus Sachham – gewohnt, und wir betreuten sie während der Arbeit der Mutter. Da Sachham kein Kinderheim ist, werden sie unser Haus wieder verlassen müssen. Aber wir können sie nicht einfach dem Schicksal überlassen! Die Eltern sind geschieden. Den Vater haben sie lange nicht mehr gesehen. Er kam sie besuchen und machte keinen schlechten Eindruck, aber er könnte sie nie bei sich betreuen. In den Ferien hatte er die Kinder für vier Wochen zu seinen alten Eltern gebracht. Der Grossvater war ziemlich gezeichnet als er seine drei Grosskinder nach vier Wochen wieder nach Kathmandu zurückbrachte. Soni, die Grosstochter, sei nie aus dem Haus gegangen und wollte so schnell wie möglich wieder "heim" ins Haus Sachham, als sie in Kathmandu ankamen. Am Anfang hat sie sehr viel geweint, vor allem am Abend im Bett. Jetzt fühlt sie sich wieder sicherer. Ich versuchte, ein gutes Heim zu finden, aber nach dem Erdbeben sind alle vorhandenen Heime voll belegt. Im nächsten Jahr eröffnet ein Kollege ein neues Haus, er würde sie aufnehmen. Ich hoffe nun, wir müssen sie nicht nochmals umplatzieren, bevor sie in dieses neue Heim umziehen können. Sie mussten in den letzten Jahren zu viele Wechsel durchmachen.    

 

Für die Betreuung der Kinder brauchen wir eine weitere Mitarbeiterin. Bis jetzt haben zwei Mütter die Aufgaben der Hausmutter und der Köchin übernommen. Beide haben einen Tag in der Woche frei.  Jetzt betreuen sie 10 Kinder, nebst der ganzen Wäsche, die von Hand mit kaltem Wasser gewaschen wird, dem Haushalt allgemein, der Schule und den Schulkleidern, und die Hausmutter ist vor allem auch für eine gute Atmosphäre in der Kinderfamilie verantwortlich. Also eine Riesenaufgabe. Bis jetzt half ihr eine Studentin. Diese ging von 05:00 – 10:00 Uhr aus dem Haus für ihr Studium, den Rest des Tages stand sie zu unserer Verfügung. Sie führt auch eine tägliche Aufgabengruppe. 

Diese Studentin wird uns im Frühjahr verlassen, und es ist ratsam, schon jetzt für einen Ersatz zu sorgen. Zudem könnte die Hausmutter ihre Aufgabe nicht mehr allein schaffen - gerade an Tagen, an denen die Köchin frei hat. Das gleiche gilt für die Köchin, die sonst fast nie mit den Kindern arbeitet. 

So möchten wir eine weitere Mitarbeiterin anstellen, die sich die Arbeit hauptsächlich mit der Hausmutter teilt und sich in die Aufgabenstunde einarbeitet. Wenn die Köchin frei hat, würde SIE die Ablösung machen.

 

Im Moment leben 2 Mütter, 2 Studentinnen, (eine Studentin ist für ein Jahr in Bahrain), 5 Studenten sowie 10 Kinder im Sachham Haus.

 

Ich finde es immer noch gut, dass wir junge Frauen und Männer unter einem Dach haben. In Nepal mangelt es in sehr vielen Familien an offenen Gesprächen über alle Fragen des Erwachsenwerdens. Das sind auch Fragen: "Wie verhalte ich mich einer Frau gegenüber?" oder "Warum hat sie auf diesen Satz böse reagiert?". Die Mädchen haben sehr schnell das Gefühl, sie werden belästigt. So gibt es viele Fragen oder manchmal auch Probleme, die im Zusammenleben besser geklärt und gelöst werden können, als wenn man sie nur theoretisch angeht.

Sehr viele junge Menschen müssen in Kathmandu auf jegliche Wärme und Geborgenheit verzichten. Sie kommen als Fremde aus ihren kleinen Dörfern in die riesige Stadt und haben nirgends auch nur ein bisschen Schutz. Deshalb finde ich es wichtig, dass unsere Institution ihre Arbeit so weiterführen kann, wie wir begonnen haben. Auch wenn es immer nur ein Tropfen auf einen heissen Stein ist. Viele Tropfen verteilen sich auch auf einem Stein und machen ihn schliesslich nass. Auch wenn man den Erfolg erst – vielleicht nach Jahren - erkennt.

 

Sachham ist immer noch eine Baustelle und wird dies wohl immer bleiben. Probleme entstehen und müssen gelöst werden. Auch unser Haus muss sich der aktuellen Entwicklung stellen. Besonders auch deshalb bin ich allen unseren Freunden und Bekannten sehr dankbar, wenn sie uns auch unterstützen. Nach den Erdbeben erhielten wir viele Spenden, die wir am richtigen Ort sinnvoll einsetzen konnten. Heute sind wir sehr dankbar, wenn Sie unser Projekt "Sachham" weiter mit grosszügigen Spenden unterstützen würden.  

Wir wünschen Ihnen allen eine frohe Advents- und Weihnachtszeit – mit vielen glücklichen Stunden im Kreise Ihrer Familie und Ihren Freunden. Alles Gute für das Jahr 2017!

 

Herzlich grüsst Sie

 

Kathrin Baumgartner

Riehen, 31. Mai 2016

Jahresbericht 2015

 

Das Jahr 2015 war geprägt durch das schwere Erdbeben am 25. April und dessen zahlreiche Nachbeben. Kathrin war zu diesem Zeitpunkt noch im Haus und hat alles miterlebt.

Die ersten Tage und Nächte haben alle im Hof unter Zeltplanen zugebracht, danach in einem Zelt bis wir schlussendlich in eine Wohnung unseres Vermieters umziehen konnten. Dort hat die Sachham Familie auf sehr engem Raum zusammengewohnt bis unser Haus repariert war. Es sind Gott sei Dank keine grossen Schäden am Gebäude entstanden, und es waren NUR Platten zu ersetzen, Risse zu schliessen und ein grosses Loch im Treppenhaus, verursacht durch das Nachbargebäude, das gegen unser Haus „gefallen“ war.

Wir hatten das Haus und die Räumlichkeiten Anfang des Jahres gerade neu eingerichtet mit Betten und Mobiliar – das war nun fast alles zerstört. Wir haben gerettet, was zu retten war.

Kathrin hat dann die Trauma-Behandlung der Familienmitglieder übernommen, denn es standen alle unter Schock.

Im Herbst haben wir uns in unserem Haus mit unseren Australischen Freunden getroffen, die uns seit Gründung des Vereins sehr unterstützen. Es war eine recht fröhliche Zeit mit Spielen und Ausflügen. Zusammen mit allen Kindern haben wir einen Freizeitpark besucht und hatten einen recht ausgelassenen Tag.

Ein älterer Student hat uns dann ein paar Tage begleitet als wir in das Erdbebengebiet im Gorkha-Distrikt gefahren sind. Wir haben das Dorf eines Studenten besucht und seine Mutter, die in einem Wellblech-Haus gelebt hat. Wie viele Häuser in dieser Region, ist der kleine Bauernhof zerstört worden. Wir haben beschlossen, ihr beim Wiederaufbau des Hauses finanziell zu helfen.

Im Mai/Juni durften wir sehr viele Spendengelder für die Erdbebenhilfe erhalten. In Nepal haben wir im Herbst gemeinsam beschlossen, mit dem Geld den Familien unserer Mütter und StudentInnen zu helfen, denn viele stammen aus der vom Erdbeben stark betroffenen Gegend. Ausserdem haben wir ein Behindertenheim, ein Blindenheim und andere soziale Einrichtungen in Kathmandu unterstützt, um mit dem Notdürftigsten zu helfen.

Das nächste grosse Problem stellte die Schliessung der Grenze zu Indien dar. Die Volksgruppe der Madhesi war mit der neuen Verfassung des Landes nicht einverstanden und hat protestiert. Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes an der Südgrenze des Landes, haben diese aus Protest die Grenzübergänge besetzt. Es kamen kein Treibstoff, kein Gas zum Kochen, keine Medikamente und keine Lebensmittel mehr ins Land. In der Folge wurden das Benzin und das Gas rationiert, die Preise für Lebensmittel schossen in die Höhe. Die Menschen mussten wieder auf Holzfeuern kochen, viele Restaurants, Schulen und Krankenhäuser mussten ihre Küchen schliessen. Das hat auch uns betroffen, die Lebenshaltungskosten haben sich beträchtlich erhöht, auch wir mussten im Hof auf einem Holzfeuer kochen. Es wurde alles verbrannt, was es zu verbrennen gab (z. B. alte Möbel etc.).

 

Im November konnten wir dann dank Spendengeldern Sonnenkollektoren auf dem Dach montieren. Nun haben wir zumindest eine brennende Lampe auf jedem Stock und teilweise warmes Wasser.

Auf der positiven Seite ist es erfreulich zu sehen und mitzuerleben, wie die bunt zusammengewürfelte „Familie“ in unserem Haus zusammenwächst. Sie kommen alle aus sehr unterschiedlichen Regionen und Ethnien und haben ausnahmslos eine schwere Vergangenheit. Es dauert eine Zeit bis jedes Familienmitglied seinen „Platz“ gefunden hat. Unsere „Familie“ umfasste zum Jahresende 2 Mütter, 9 Kinder und 14 SchülerInnen/ StudentInnen. Ausserdem haben wir stundenweise eine Lehrerin und eine Putzhilfe eingestellt.

Malika ist die Managerin in Kathmandu und kümmert sich um alle Belange, hält den Kontakt zu den Schulen/Colleges und macht auch die Buchhaltung. Für 2016 werden wir stundenweise einen Buchhalter einstellen, denn die Anforderungen wachsen.

Kathrin Baumgartner war wieder fünf Monate in Kathmandu (zwei Monate im Frühjahr und drei Monate im Herbst), ich selbst drei Wochen im Frühjahr und dann nochmals im Herbst.

In Riehen haben wir uns fünfmal zu einer Vorstandsitzung getroffen. Daneben haben viele telefonische Besprechungen stattgefunden, auch via Skype mit Malika und den Kindern/Studenten in Kathmandu. Wir waren auf zwei Flohmärkten vertreten, und Schülerinnen haben an verschiedenen Veranstaltungen in ihrer Schule Spenden gesammelt.

An dieser Stelle möchte ich mich bei den Vorstandsmitgliedern und allen freiwilligen Helfern ganz herzlich bedanken, insbesondere bei Kathrin Baumgartner, die während fünf Monaten das Projekt in Kathmandu betreut hat.

Mein herzlicher Dank geht vor allem auch an alle Mitglieder, Spenderinnen und Spender für die finanzielle Unterstützung. Nur dank ihnen war es uns möglich, dieses schwierige Jahr zu meistern und die dringend benötigten Ausbildungshilfen an Studentinnen und Studenten weiter zu führen und weitere Jugendliche in das Projekt aufzunehmen. Wir freuen uns, wenn Sie uns auch weiterhin unterstützen.

 

Helga Karle

(Präsidentin)

 

 

 

PS:  Wir bieten auch Patenschaften für unsere „Familienmitglieder“ an und geben Ihnen gerne nähere Informationen. Bitte wenden Sie sich an Kathrin Baumgartner oder an mich.

Frühjahr 2016

Bericht aus Kathmandu

 

Am 18. April bin ich in einem ganz anderen Kathmandu gelandet als ich im Oktober 2015 verlassen habe. Am Flughafen war sehr viel los, nach den üblichen Einreiseformalitäten und Visum musste ich eine Stunde auf mein Gepäck warten. Draussen standen viele Menschen und Taxen, der Verkehr war gewaltig! Von der Benzinknappheit war nichts mehr zu spüren – erst einmal.

In unserem Haus bin ich dann mit viel Liebe und Freude aufgenommen worden. Die Kinder haben sich alle sehr zu ihrem Vorteil entwickelt, sowohl körperlich als auch in ihrem Verhalten. Sie sind zu einer richtigen Familie zusammengewachsen.

Mittlerweile konnte eine Mutter mit ihren drei Kindern in die Selbständigkeit entlassen werden. Sie hat eine Arbeit gefunden und wohnt mit ihren Kindern in einer Wohnung ganz in der Nähe. Für die Kinder bezahlen wir nach wie vor das Schulgeld, und nach der Schule sind sie bei uns im Haus bis die Mutter von der Arbeit heimkommt.

Dafür haben wir Mitte April zwei neue Mütter mit jeweils einer Tochter aufgenommen.

Auch die Anzahl der SchülerInnen und StudentInnen hat sich vergrössert.  Im Haus leben nun neben insgesamt drei Müttern mit ihren 4 Kindern noch die 4 Kinder, die schon von Anfang an bei uns sind, sowie 3 Studentinnen und 5 Studenten.

Zusätzlich unterstützen wir 12 SchülerInnen und StudentInnen, die zu Hause, bei Verwandten oder im Hostel wohnen. Alle diese SchülerInnen und StudentInnen, die nicht in unserem Haus wohnen, haben wir zu einem Treffen eingeladen, damit sich alle kennenlernen können.

Insgesamt betreuen wir momentan 28 SchülerInnen und StudentInnen von Kindergarten bis College/Universität.

Die Ausbildungsziele unserer StudentInnen umfassen Software Engineering, Mechanical Engineering, Electrical Engineering, Lehrer, Krankenschwester, Administration/Management, Hotel Management, Bankkaufmann. Zwei dieser Studentinnen haben ausserordentliche Prüfungen abgelegt; eine hat mit 93 % abgeschlossen, eine andere war eine von 4, die die Prüfung überhaupt bestanden hat (von 500 Prüfungsteilnehmern). Wir sind sehr stolz auf diese Leistungen.

Die Mütter in unserem Haus haben Aufgaben übernommen, Radha ist die Hausmutter und kümmert sich vorwiegend um die kleineren Kinder, Bhima hat das Kochen übernommen. Namrata ist Analphabetin, ihr bezahlen wir eine Basisausbildung in Schreiben, Lesen, Rechnen. Sie ist erst 20 Jahre alt und hat eine 5-jährige Tochter. In ihrer Freizeit wird sie ausserhalb des Hauses eine Arbeit übernehmen. So teilen sich die Mütter und StudentInnen in unserem Haus den Grossteil der anfallenden Arbeiten. Die StudentInnen sind verantwortlich für ihre eigenen Zimmer und ihre Wäsche.

Alle unsere „Familienmitglieder“ haben eine ganz spezielle Vergangenheit und verfügen über keinerlei finanzielle Mittel oder Unterstützung.

Dank Spendengeldern konnten wir für die StudentInnen zwei Laptops kaufen, die sie sich teilen. Auch Mobiliar konnte ergänzt werden, und für den Sommer werden wir einen Kühlschrank anschaffen.

In der folgenden Woche bin ich dann mit einer unserer Studentinnen „aufs Land“ gefahren, ihre Eltern wohnen in dem vom Erdbeben betroffenen Gebiet, das Haus wurde zerstört. Auf der Fahrt haben wir dann lange Schlangen an einigen Tankstellen gesehen, andere waren geschlossen. Lange Schlangen gab es auch an den Ausgabestellen für Propangas. Auf meine Fragen habe ich dann erfahren, dass der Schwarzmarkt blüht! Polizei und Militär halten Treibstoff und Gas bewusst knapp und verkaufen es auf dem Schwarzmarkt zum vielfachen Preis. Für eine Gasflasche zum „normalen“ Preis muss man sich registrieren lassen und etwa drei Wochen warten bis man sie bekommt.

Es waren ereignisreiche Tage und Wochen, die Zeit verging viel zu schnell. Der Abschied war dann sehr herzlich – und wir freuen uns alle auf ein Wiedersehen im Herbst.

 

Riehen, April 2016

Helga Karle

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